21. Februar

1892

Eduard Schmidt aus München referiert in Rosenheim zu dem Thema: „Was bestreben die Sozialdemokraten?“

1912

Aus dem Tagebuch von Erich Mühsam:

„Mittwoch, d. 21. Februar 1912.

Ich hatte mich im Kursbuch überzeugt, daß um 5 Uhr der Zug nach Kufstein abgehe und um 7 Uhr dort eintreffe. So überließ ich Jeanne um ¾ 5 ihren und meinen Freunden und eilte zum Bahnhof. Ich erfuhr dort, daß erst um 5h 50 ein Zug nach Kufstein fahre. So blieb ich bis dahin im Bahnrestaurant und trank schwarzen Kaffee. Um ¾ 8 Uhr kam der Zug glücklich in Rosenheim an, dort mußte ich umsteigen. 8h 20 gings weiter und eine volle Stunde später landete ich endlich in Kufstein. Er regnete Bindfaden. Die Berge völlig im Nebel, die Straßen aufgeweicht. 5 Minuten vor ½ 10 war ich im Gerichtsgebäude und trat in den Verhandlungssaal Nr. 5 ein, wo ich im Zuhörerraum Platz nahm. Der Richter unterhielt sich mit zwei Frauen über einen Brosche-Diebstahl. Sie sollten nach einer Photographie den abwesenden, wahrscheinlich flüchtigen Dieb erkennen. Die Frauen lachten, bekamen Zeugengebühren angewiesen und gingen. Ich stellte mich vor und wurde hinausgeschickt, bis man mich rufen werde. Es dauerte vielleicht eine halbe Stunde, während der ich im Treppenhause des Bezirksgerichts Kufstein promenierte. Man rief mich. Ich sah mir das Bild an. In der Mitte der Einzelrichter, ein etwa 38jähriger energisch aussehender Mensch mit sehr hellem Organ, ihm zur Seite der Schreiber. Zur Linken der Staatsanwalt, ein giftiger Kerl, Ähnlichkeit mit Gumppenberg. Rechts ein Herr, der sich dann als Verteidiger entpuppte. Ich sagte ausführlich über die Dinge aus, die mir aus den Voraussetzungen des Prozesses bekannt waren, betonte die nervösen Depressionen, die Tobsuchtsanfälle, die Homosexualität, die Spontanität, die Verschwendungssucht des Freundes in jener Zeit, versicherte, daß sich das alles seither gelegt habe, bekannte, daß die Nichtzahlung der Eichelwanger Quartierschuld insofern meine Schuld sei, als ich Johannes versprochen hätte, sie zu begleichen, erklärte, daß ich es ohne weiteres beeiden könne, daß Johannes stets die Absicht hatte, zu bezahlen, und daß in ähnlichen Fällen immer noch alles in Ordnung gebracht sei und zweifelte nicht mehr, daß der Freispruch erfolgen müsse. Das „Plaidoyer“ des Staatsanwaltes lautete so: „Ich beantrage die Handhabung des Gesetzes“. Der Verteidiger beantragte natürlich Freisprechung und benahm sich bei der Begründung sympathisch und geschickt. Der Richter erhob sich, alle andern auch. Er verkündete die Freisprechung, die er ausführlich begründete und zu meiner Befriedigung wesentlich auch „auf die glaubhafte Aussage des Zeugen Mühsam“ stützte. Jetzt geschah das Unglaubliche, daß der Staatsanwalt Berufung einlegte. Ich durfte gehn und erwartete draußen den Verteidiger. Er stellte sich als Dr. Strehle vor. Dr. Praxmarer habe ihm die Sache übergeben. Er meinte, die Berufung des Staatsanwalts sei mehr Formsache, er glaube nicht an Weiterungen. Sollte eine neue Verhandlung nötig werden, so finde sie in Innsbruck statt. Ich telegrafierte den Ausgang sogleich an Johannes und lief in strömendem Regen zum Bahnhof zurück. Es war kurz vor 11 Uhr. Dort erfuhr ich zu meinem Schrecken, daß der nächste Zug nach München erst 12h 55 abgehe. Inzwischen trank ich einen Schoppen Wein und aß zwei Eier. Ein weiterer Kaffee mußte meine Müdigkeit aufheitern. Endlich war die Zeit herum, und jetzt sagte mir der Schalterbeamte, daß der Zug von Rosenheim ab keinen andern Anschluß habe, als zweiter Klasse Schnellzug. Ich nahm also bis Rosenheim 3ter Klasse Billet, und dort mußte ich eine Stunde warten, bis um 3 Uhr endlich der Brennerbahnzug kam, der um 4 Uhr in München einlief. Ich geriet sofort in den Fastnachtsumzug hinein.“

| Quelle: http://www.muehsam-tagebuch.de/tb/diaries.php#d_1912_02_21

 

1919 München: Eisner wird auf dem Weg zum Landtag, wo er seinen Rücktritt erklären will, von Anton Graf von Arco auf Valley erschossen

 

1919 Rosenheim: Am Rathaus wird die Rote Fahne gehisst

 

Ähnliches geschah in Rosenheim. Dort wurde am 21. Februar bereits die rote Fahne auf dem Rathaus gehißt; am nächsten Tag Tag erzwangen mehrere hundert Demonstranten den Rücktritt des alten Bürgermeisters und eines mißliebigen Rechtsrates. Am 23.02. leitete der KPD-Vorsitzende Guido Kopp die militaristische Besetzung des Rathauses durch die neugegründete „Republikanische Schutztruppe“, die aber anders als in München durchwegs aus revolutionären Soldaten gebildet worden war und 200Mann umfaßte

(Seligmann, S.83 f.)